Drum zahle, wer sich ewig bindet …
Gibt sich ein Paar in der Schweiz das Ja-Wort, stehen die Chancen gut, dass es vom Staat finanziell benachteiligt wird. Rund 700’000 Ehepaare sind in der Schweiz von der ungerechten Heiratsstrafe betroffen.
Die Schweiz verfügt über viele Eigen- und Besonderheiten, mit denen wir uns von anderen Staaten unterscheiden, und für die wir unser Land schätzen und lieben. Was allerdings die Liebe im engeren Sinn betrifft, gibt es leider ein schweizerisches Phänomen, auf das man liebend gerne verzichten würde: Sowohl bei der Steuerbelastung wie auch bei der Rente werden verheiratete Mittelstands-Paare im Gegensatz zu unverheirateten benachteiligt. Diesen Missstand kennen wir auch unter dem Begriff «Heiratsstrafe». Die letzte Schätzung des Bundes aus dem Jahr 2013 ergab, dass rund 450’000 Zweitverdiener-Ehepaare sowie 250’000 Rentner-Ehepaare von einer Mehrbelastung betroffen sind. Übrigens: Die Heiratsstrafe trifft nicht nur für die Ehe zu, sondern ebenso für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Steuerprogression und tiefere Renten
Mehr als bedauerlich, dass finanzielle Überlegungen Einfluss auf die Entscheidung zur Eheschliessung haben können. Ich persönlich habe mir seinerzeit keine Gedanken dazu gemacht. Für uns war klar: Wenn wir eine Familie gründen, werden wir heiraten. Dieses Selbstverständnis gilt für viele Paare meiner Generation und für ältere Generationen sowieso.
Würden wir es allerdings rein von der finanziellen Seite her betrachten, wäre der Fall klar: Wir beide arbeiten Vollzeit. Das hat zur Folge hat, dass wir einerseits von der hohen Steuerprogression benachteiligt werden, andererseits fallen unsere Renten tiefer aus, als wenn wir unverheiratet wären – oder uns scheiden liessen.
Mittelstand stärken
Dieser Tage, in denen fast ausschliesslich beide Partner Voll- oder Teilzeit arbeiten, hat die Ehe einen Imageschaden erlitten. Ich höre vermehrt von jungen Paaren, die aus rein finanziellen Überlegungen heraus nicht heiraten. Unser Steuersystem begünstigt Ehen, in denen nur ein Partner einem Beruf nachgeht und somit alleine für das Haushaltseinkommen sorgt. In der Realität gibt es aber nur wenige mittelständische Haushalte, die es sich leisten können, dass lediglich ein Partner erwerbstätig ist. Ohne grossen Verzicht ist es erforderlich, dass heute beide arbeiten – und werden als Dank dafür steuerlich bestraft.
Wir müssen Sorge dazu tragen, dass sich die Schere zwischen Reich und Arm nicht weiter öffnet. Der Mittelstand muss als solide Basis gestärkt werden. Die Heiratsstrafe abzustrafen ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Lösungen müssen her
Die Regierung des Kanton Solothurn setzt sich zurzeit gegen eine vom Bundesrat empfohlene Individualbesteuerung zur Wehr. An und für sich ist das eine mögliche Lösung, Verheiratete gerechter zu behandeln. Allerdings ist man in Solothurn skeptisch, fürchtet einen massiven administrativen Mehraufwand und natürlich auch die Steuerausfälle.
Viele Kantone teilen die Ansicht, dass es einfachere Möglichkeiten gibt, um die Heiratsstrafe abzuschaffen. Diese gibt es mit Sicherheit, allerdings müssen Lösungen erarbeitet werden, die tragbar und für alle fair sind. Ziehen Bund und Kantone an einem Strick, kann es auch gelingen, die Heiratsstrafe in die Geschichtsbücher zu verbannen und unseren Mittelstand zu entlasten.
Sibylle Jeker, Büsserach Kantonsrätin SO und Kandidatin Nationalrat